Der Fotovogel hat Geburtstag. 1 Jahr ist er schon alt. Mal abgesehen davon, dass das auf jeden Fall ein denkwürdiger Moment ist – niemals hätte ich es für möglich gehalten, eine eigene Website für Fotografie auf die Beine zu stellen – würde ich diesen Tag gerne nutzen, um mal ein bisschen zurück zu blicken. Was habe ich in einem Jahr Fotografie gelernt?
So hat alles angefangen
Wenn du meine „Über mich“-Seite bereits kennst, wirst du wissen, das alles mit dem Meer angefangen hat. Vor einigen Jahren bin ich zum studieren an die deutsche Ostseeküste gezogen und hatte ständig das Gefühl, alles irgendwie festhalten zu müssen. Schnell entstand der Wunsch, richtig gute Bilder zu machen und in meiner Vorstellung, war das mit dem Handy absolut unmöglich. Mein zweitälterster Bruder machte mir zu meinem 21. Geburtstag ein tolles Geschenk: er überließ mir seine Spiegelreflex, die er selbst kaum benutzte – vorerst.
Euphorisch machte ich meine ersten Aufnahmen spätabends in meinem Zimmer, bei mehr als spärlicher Beleuchtung, nur um festzustellen, dass ich mit der Kamera absolut nicht umgehen konnte. Auch in den Wochen darauf schien mir die Benutzung der Kamera wie ein Buch mit sieben Siegeln. Wie konnte es sein, dass meine Bilder nicht unglaublich aussahen, jetzt, wo ich so eine tolle Kamera besaß? Meine anfängliche Freude schwand schnell und so lag die Spiegelreflex in den folgenden Monaten eher rum, als dass sie in Benutzung war.
Und dann kam Corona
Man kann über diesen Virus sagen, was man will. Fakt ist: ich war definitiv nicht die Einzige, die in der Zeit des ersten Lockdowns im März/April 2020 ein neues Hobby für sich entdeckte. Meine Mitbewohnerin wollte schöne Portraitfotos und mein Ehrgeiz war geweckt, ihr diese Fotos auch zu liefern. Es brauchte etwa zwei Stunden Erklärvideos auf YouTube und eine Fototour, bis ich die drei klassischen Lichtregeln und das Fotografieren im manuellen Modus begriffen hatte.
Und guess what: ich war begeistert! Zwei Stunden und ich konnte schon solche Ergebnisse erzielen?! Eigentlich konnte ich das fast nicht richtig glauben. Gepackt von dieser Erfahrung ließ mich die Fotografie nicht mehr los. Diese Bilder liebe ich übrigens bis heute.
Von Bildbearbeitung keine Ahnung, lud ich die Fotos dann recht umständlich von meiner Speicherkarte auf mein iPad, um sie in meiner Galerie-App zu bearbeiten. Ziemlich… stümperhaft also.
Die ersten Portrait-Fotoshoots mit Freunden folgten. Und ich war wieder und wieder von der Qualität meiner Bilder überrascht. Ich war zu einem Schwamm geworden, der alles aufsog, was er zum Thema Fotografie fand und bald schon fast untrennbar mit der Kamera verwachsen.
Die Geburt des Fotovogels
Alles, was ich lernte und umzusetzen versuchte, ließ mich oft tagelang nicht los. Mir rauchte der Kopf vor lauter Vorstellungen, Konzepten und Ideen und es bauten sich komplexe Gedankenwelten auf, in denen ich mich kaum mehr zurecht fand. Eine Art Notizbuch musste her. Aber, und an dieser Stelle bin ich ganz ehrlich: Stetigkeit, Geduld und Konsequenz sind nicht unbedingt Eigenschaften, die ich mit mir in Verbindung bringen würde. Ich hatte Angst, all das irgendwann fallen zu lassen, wenn die Qualität meiner Fotos stagnierten oder gar nachließen.
Allerdings, wenn man im Zeitalter von Social Media groß wird, lernt man eines mit Sicherheit: einen Blog zu führen, ist wie ein Haustier zu haben – man muss es ständig füttern.
So entstand der FOTOVOGEL. Ein Name war auch schnell gefunden. Wenn der eigene Nachname „Vogel“ ist, dann ist dieser auch ziemlich naheliegend. Der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte.
Was habe ich nun gelernt?
TECHNIK IST NICHT ALLES. Zu Beginn meiner fotografischen Reise war ich überzeugt, dass ich nur eine richtig gute Kamera bräuchte und schon würden meine Bilder überragend werden. Kaum hatte ich eine, musste ich feststellen, dass meine Bilder immer noch schrecklich aussahen. Fotografieren ist ein echtes Handwerk. Wenn man es nicht beherrscht, hilft es auch nicht, sich sündhaft teures Equipment zuzulegen, dass man im Zweifelsfall nicht einmal richtig bedienen kann. Technik ist nicht essentiell für ein gutes Foto, sondern verschiebt lediglich die Grenzen des Möglichen.
MANUELLES FOTOGRAFIEREN. Es gibt nichts Besseres, als selbst Einfluss auf das Bild nehmen zu können. Die Kontrolle über das, was man sehen will, macht die Fotografie nicht nur spannend, sondern eröffnet einem so viel mehr Möglichkeiten, als es im Automatikmodus auch nur denkbar wäre.
SANFTES LICHT ALS SCHLÜSSEL. Damit gemeint ist, dass besonders weiches Licht zu Sonnenauf- und -untergang besonders geeignet ist. Nicht nur für Portraits, auch für Landschaftsaufnahmen. Es gibt einen Grund, warum sich so viele Fotografen für gute Fotos schon morgens um vier aus den Federn scheuchen.
MAN KANN MIT JEDER EINZELNEN FOTOGRAFIE-REGEL BRECHEN, wenn man weiß, was man tut. Auch bei hartem Licht können fantastische Portraits entstehen, wenn man weiß, wie man dieses Licht richtig nutzt. Regeln brechen ist spannend, vor allem, wenn es bewusst geschieht. Und um an dieser Stelle einmal Greg Williams zu zitieren:
„I as a photographer, I’m not that interested in technical perfection. I would fall rather a slightly blurry, slightly dark, slightly wrong photo that makes you feel a lot of emotions, than a clinical, precice, perfect one, that doesn’t.“
Greg Williams
FARBE UND SCHWARZ-WEISS. Farbe ist eine Zusatzinformation in jedem Bild. Jede zusätzliche Information muss von unserem Gehirn verarbeitet werden. Umso wichtiger ist es, dass diese zusätzliche Information auch einen Mehrwert bietet. Tut sie es nicht, weil beispielsweise das Farbprofil zu platt ist, macht es Sinn über Schwarz-Weiß nachzudenken. Das lohnt sich logischerweise nur, wenn es tatsächlich auch was zu sehen gibt, also für ein Bild, das auch ohne Farbe noch genügend Informationen enthält. Ein Sonnenuntergang in Schwarz-Weiß wäre also eher nicht so schlau.
BILDTIEFE ERZEUGEN. Ein Foto ist ein zweidimensionales Produkt und je mehr diese Zweidimensionalität zum tragen kommt, desto langweiliger und wenig ansprechend finden wir es. Wir müssen also die dritte Dimension wieder herstellen – zumindest optisch. Jedes Bild hat einen Vorder-, einen Mittel- und einen Hintergrund. Wege, Geländer, Treppen die ins „Bild hinein führen“, Nebel und Dunst in weiter Entfernung oder eine starke Schärfentiefe mit einer weit geöffneten Blende, betonen die Dreidimensionalität.
SELBSTPORTRAITS ZUM TESTEN. Diejenigen, die mich persönlich kennen, wissen wahrscheinlich, dass ich einfach kein Fan von Selfies bin. Was nicht bedeutet, dass ich keine Bilder von mir mag. Gut durchdachte Selbstportraits, die mutmaßen lassen, dass jemand anderes sie gemacht hat, sind durchaus mein Ding. Und es ist nicht nur einmal passiert, dass ich bestimmte Bildkonzepte erst einmal an mir selbst getestet habe, bevor ich andere Leute damit behelligen wollte. Ich habe dabei unheimlich viel gelernt und tue es bis heute.
DRAN BLEIBEN. Denn besser wird nur, wer übt.
Das kann ich noch lernen
SCHNELLER WERDEN. Der Blick durch den Sucher oder das eigene Auge kann äußerst frustrierend sein, wenn weder Finger noch Kamera entsprechend folgen können. Wie oft war ich schon kurz davor, die Flinte ins Korn zu werfen, weil ich DIESEN EINEN MOMENT nicht einfangen konnte. Weil ich zu langsam war oder noch schlimmer, weil die Kamera es war. Mein eher älteres Modell schafft einfach nicht diese Menge an Bildern pro Sekunde, wie die neuesten Kameras auf dem Markt. Solange ich mir kein neues Equipment leisten kann, muss ich vor allem an mir arbeiten. Schnell die Kamera zücken, schnell die nötigen Einstellungen vornehmen, schnell auslösen.
BEWUSSTER GESTALTEN. Bisher bin ich einfach viel meiner Intuition gefolgt. Habe das fotografiert, was mir vor die Linse kam, ein wenig ausprobiert und im Endeffekt die Version weiter bearbeitet, die mir von dieser Ausprobiererei am Besten gefallen hat. Daran ist grundsätzlich nichts schlechtes. Aber hinter dem bewussten Gestalten und dem bewussten Entscheiden steht ein enormer künstlerischer Prozess, der so viel mehr Potential bietet, als ein „Prozess“, der sich rein zufällig ergibt.
BLENDE SCHLIESSEN. In den allermeisten Fällen fotografiere ich mit einer Offenblende. So weit geöffnet, wie es für mein Objektiv möglich ist. Jetzt habe ich durchaus schon Bilder gemacht, da wäre eine geschlossene Blende durchaus von Vorteil gewesen. Professionelle Fotos erkennt man ja schließlich nicht nur an einer schönen Tiefenschärfe.
INTERAKTION MIT DEM MODEL. Ja, ich gebe es zu: in meiner, fast schon phobisch anmutenden, Angst vor gestellten Fotos neige ich dazu, einfach gar keine Anweisungen zu geben. Und überhaupt kaum mit dem Model zu interagieren. Bei dem Fotoshooting mit meinem ältesten Bruder und meiner Schwägerin wurde mir allerdings klar, dass die beiden sich durchaus mehr Interaktion gewünscht hätten. Sie waren sehr zufrieden mit den fertigen Bildern, fühlten sich währenddessen doch ein wenig verloren. Das muss nicht sein. Jeder, der mit mir arbeitet, soll sich wohl fühlen. Und im Endeffekt hätte ich mich durchaus trauen dürfen, mit meiner Kamera mehr als Gesprächspartner aufzutreten.
RETUSCHE. Es gibt genügend berühmte Modefotografen, die ihre Bilder nie retuschiert haben. Grundsätzlich finde ich diesen Ansatz durchaus erstrebenswert, möchte mir aber auch Möglichkeiten offenhalten und nicht gleich einen Wutanfall bekommen, wenn im Hintergrund eines sonst perfekten Fotos, ein blauer Müllsack zu sehen ist. Ist mir schon passsiert, kein Witz. Außerdem ist es eine Sache, etwas sein zu lassen, weil man es nicht kann. Es nicht zu tun, weil man sich ganz bewusst dagegen entschieden hat, eine ganz andere.
WAS WILL ICH WIRKLICH? Wer mich persönlich kennt, weiß, dass ich ein sehr großer Generalist bin. Meine Talente, sowie meine Interessen sind sehr… ich sag mal, breit gefächert. Das kann ein echter Vorteil sein, weil man sich schnell für alles mögliche begeistern kann und außerdem schnell lernt. Der Nachteil dieser Sache ist, dass ich leider auch schnell das Interesse verlieren kann, sollte es allzu speziell oder komplex werden. Selten kann ich mich wirklich festlegen, zu sehr droht die Gefahr, woanders eine Erfahrung zu verpassen.
Ich möchte so viel lernen, so viel erleben, so viel sein – so viele Leben gibt es gar nicht. Aber sollte ich die Fotografie jemals professionell betreiben wollen, käme ich um diesen Schritt nicht herum. Ich müsste mich spezialisieren. Bevor es soweit ist, muss ich allerdings noch einiges lernen. Wie soll ich wissen, ob ich nicht vielleicht ein toller Sportfotograf wäre, wenn ich kaum die Möglichkeit bekomme, mich darin auszuprobieren?
Meine Reise ist noch lange nicht zu Ende
Sie fängt gerade erst an. Ich bin sehr, sehr dankbar für das gesamt letzte Jahr und auch, dass du ein Teil davon warst! Wir dürfen gespannt sein, wo diese Reise noch hinführt.
Welche Erkenntnisse hattest du im letzten Jahr oder seit du fotografierst? Lass es mich wissen und schreibe einen Kommentar oder eine Nachricht in meinem Kontaktformular.
Bis dahin, alles Liebe!
Deine Stephie