Es war dunkel. Stockdunkel, die Sonne war bereits vor einer Stunde untergegangen. Meine Komfortzone hatte ich schon vor Stunden verlassen. Ich sah nur die zwei Meter vor mir, die die Taschenlampe meines Handys beleuchten konnte. Um mich herum war sonst nur tiefes schwarz. Blätter raschelten und irgendwo weit entfernt hörte ich die Brandung. Es fing an zu regnen.
Seit knapp zwei Stunden irrte ich alleine im Wald umher.
„Richtung Süden“, befahl mir mein Handy. Ich hatte keine Ahnung wo Süden war und lief stattdessen den plattgetretenen Waldweg entlang. Ich hätte vorhin umdrehen können, aber das hatte ich nicht. Und so tapste ich jetzt mutterseelenallein durch den finsteren Wald. Die beleuchteten zwei Meter vor mir, das war alles worauf ich mich konzentrierte. Ich sah nicht nach links oder rechts – zu groß war die Angst, was dort vielleicht lauern könnte, in den tanzenden Schatten der Finsternis.
Was hatte ich mir nur dabei gedacht, mich in so eine Situation zu bringen?
„Ich denke“, teilte ich den Dutzend Augenpaaren mit, die mich wahrscheinlich heimlich beobachteten, „ich habe den Punkt verpasst, an dem ich hätte umkehren sollen.“
So sehr hatte ich dieses Foto gewollt
Dieses bescheuerte Foto. Den Leuchtturm hatte ich fotografieren wollen am Weststrand auf dem Darß. Ich hielt es für das perfekte Herbstmotiv und für ein schönes Ausflugsziel an einem Sonntagnachmittag.
„Es konnte ja keiner ahnen, dass ich mich derart verzetteln würde mit der Zeit.“, erzählte ich, in der Hoffnung, dass mich meine eigene Stimme auf andere Gedanken brachte. „Auf der Karte sah der Weg so kurz aus und ich hatte ständig das Gefühl, bereits die Hälfte geschafft zu haben. Egal in welche Richtung ich gelaufen wäre, es hätte keinen Unterschied gemacht – dachte ich.“ Auch das letzte Wildschwein in diesem Wald sollte wissen, dass ich einen Fehler gemacht hatte. Und damit es auf keinen Fall auf die Idee kam, mir zu nahe zu kommen, rief ich noch etwas lauter: „So war das alles gar nicht geplant!“
Als mein erstes echtes Unbehagen eingesetzt hatte, war ich bereits so weit gekommen. Und ich musste doch zum Leuchtturm! Ich konnte nicht soweit gelaufen sein, um unverrichteter Dinge wieder abzuziehen. Wenn ich meine Komfortzone schon verließ, dann wenigstens aus einem guten Grund.
Aber das Laufen im tiefen Sand war anstrengend gewesen und hatte mich ungemein ausgebremst. Als ich den Leuchtturm erreicht hatte, war es bereits dunkel. Sein Strahlen hatte mir das letzte Restlicht gegeben. Ohne Stativ allerdings waren meine Bilder entweder zu dunkel oder verwackelt.
Komfortzone umsonst verlassen
Ich hatte keine Fotos, ich war alleine bei Nacht mitten im Naturschutzgebiet und ich hatte keine Ahnung wo ich war. Schöne Scheiße.
„Warum konnte ich von dieser Idee nicht ablassen?“, fragte ich die Eule auf dem Weg zurück durch den Wald. Ich war mir sicher, gerade eben eine Eule gehört zu haben. Eine Antwort wusste die leider auch nicht.
Ist es nicht so…
… dass ich mir so sehr wünsche, eine gute Fotografin zu sein, dass ich so eine Situation in Kauf nehme? Eins ist klar, hätte ich das vorher gewusst, wäre ich nicht so weit gegangen. Aber die Aussicht auf ein gutes Foto war so verlockend, dass ich es nicht fertig brachte, umzudrehen.
Ich weiß immer noch nicht, wie ich zu dieser Aktion stehen soll. Ich weiß aber auch immer noch nicht, was alles wirklich hätte passieren können – nachts, allein, im Wald. Grundsätzlich würde ich mich nicht mit Leuten vergleichen, die ungesichert auf Funkmasten, Hochhäuser oder Türme klettern, um möglichst viele Insta-Likes zu ergattern, der Lebensgefahr zum trotz.
Aber dort zu sein und so lange alleine durch die Finsternis zu laufen, war einfach ein Stück zu weit außerhalb meiner Komfortzone.
Wie kann ich richtig de Komfortzone verlassen?
Ich hätte einfach mehr auf mein Bauchgefühl hören sollen, anstatt zwei Stunden voller Angst durch die menschenleere „Wildnis“ zu irren. Es ist prinzipiell nichts schlechtes daran, seine Komfortzone zu verlassen. Im Zweifel sollte es allerdings besser sein, auf ein Foto zu verzichten. Es ist nur ein Foto und nichts spricht dagegen, den Ort an einem anderen Tag zu einer anderen Uhrzeit noch einmal aufzusuchen.
Neue Regel für mich: Bringe niemanden in Gefahr. Weder dich als Fotografin noch andere als Models.
Wie weit gehst Du für ein Foto? Vielleicht hast du ja schon mal eine ähnliche Erfahrung gemacht. Ich würde mich freuen davon zu hören! Schreib es gerne in die Kommentare oder eine persönliche Nachricht über mein Kontaktformular.
Bis dahin
deine Stephie
Also ich bin noch nie bei Nacht umher gelaufen wegen einem Foto ( wobei ich die Nachtfotografie mag ) aber mir ist es ähnlich ergangen in einem Lost Place. Ganz alleine in einem riesigen Firmengelände und draußen bellte ein Hund und ich hatte keine Ahnung, ist das nun ein Wachschutz oder woher kommt er. Tatsächlich war es aber nur ein Spaziergänger ausserhalb vom Gelände. Trotzdem waren Bereich einsturzgefährdet und wohl war mir nicht mehr ! Wenn man hier verunglücken sollte findet dich kein Mensch mehr.
Also wenn solche Aktion nie mehr alleine gehen !
Das tolle Foto machen ja das kann schon der Kick sein solche Dinge zu tun wie du es ja auch beschrieben hast !
Auf jeden Fall nicht mehr alleine. Oder sich genau überlegen: wann, was, wo? Geplant war diese ganze Aktion ja keineswegs, aber ich hatte dieses Foto so sehr gewollt, dass ich all das in Kauf genommen habe, als es Zeit war, sich dagegen zu entscheiden.